
“Und ganz generell bedeutet Crowdfunding halt kommunzieren: Nach außen mit den potentiellen Unterstützern, mit den Unterstützern im Projekt aber auch nach innen als Band oder Label, was Ziele sind und wie sie umgesetzt werden können.” – (Andreas Bischof)
Ein Gespräch mit Andreas Bischof von analogsoul über Crowdfunding und Musik
Die Filmemacher von relativ kollektiv haben das Label analogsoul und dessen Bands etwas mehr als ein Jahr lang begleitet. Die fertige Dokumentation soll nun am 15. Mai im Neuen Schauspiel Leipzig Premiere feiern. Die Karten für dieses Event gibt es exklusiv und ausschließlich über die Crowdfunding-Plattform Visionbakery. Und es ist das nunmehr zehnte Crowdfunding-Projekt, an dem analogsoul beteiligt ist. Steffen Peschel sprach mit Andreas Bischof über Crowdfunding und die gesammelten Erfahrungen.
Steffen: Hallo Andreas, ich habe bei mir nachgeschaut. Wir sind uns im August 2011 beim Creative Summer Camp in Leipzig das erste Mal über den Weg gelaufen. Das Label analogsoul gab es da schon eine Weile. Bevor wir aber dazu kommen, stell Dich doch bitte kurz vor. Wer bist Du und was machst Du?
Andreas: Ich bin ein 29-Jähriger mittlerweile-Leipziger, der im Jahr 2008 mit einem Kommilitonen und dessen ehemaligem Bandkollegen analogsoul gegründet hat. Seitdem bin ich der einzige Nicht-Musiker in unserem DIY-Label. Ich arbeite außerdem als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Chemnitz, wo ich auch im Fachbereich Medienkommunikation promoviere.
Steffen: Auf der Website von analogsoul habe ich nichts über die Anfänge gefunden. Ich nehme mal an, dass ich das auch in “Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit” erfahren. Kannst du mir dennoch einen Abriss davon geben, wie Label und Booking entstanden sind?
Andreas: Ja, das ist immer so eine Sache mit der Rückschau, ich glaube, das kommt auch im Film zu kurz. Angefangen haben wir mit einer selbsgebastelten Website, die wir auf dem Dachboden der Mutter meiner Freundin aufgesetzt haben. Die ersten Mp3s, ein free download, waren glaube ich sogar ungetagged. Wahnsinn! Booking für unsere Projekte war aber schon damals eines der Hauptziele: Wir wollten schlicht einen Namen haben, unter dem man anfragen kann, damit es professioneller klingt. Seitdem haben wir uns Schritt für Schritt weiterentwickelt; Weitere Geschäftsbereiche sind dazu gekommen; andere, wie das Lizensierungsgeschäft, haben wir an Experten ausgelagert.
Steffen: Was das Zusammenspiel mit der Crowd betrifft, seid ihr bei analogsoul schon alte Hasen, oder? Euer erstes Projekt habt ihr bereits 2009 auf betterplace gestartet, in Eurem VisionBakery-Profil findet man neben dem aktuellen Projekt bereits sechs weitere und dann gibt es da noch etwas auf der Webseite der Band A Forest. Erzähle doch mal. Was sind die wichtigsten Erfahrungen, die ihr dabei gesammelt habt?
Andreas: Dazu kommt noch das Lilabungalow-Crowdfunding aus dem Dezember. Die wichtigste Erkenntnis aus alledem ist, dass es sich lohnt, unsere Hörer und Fans frühzeitig in den Veröffentlichungsprozess einzubinden. Das Crowdfunding ist ja oft der öffentlich sichtbare Auftakt für einen Release oder ein Projekt. Wir waren uns am Anfang unsicher, ob man mit etwas “Unfertigem” Unterstützung bekommt. Und man lernt natürlich viele kleine Dinge über den Zusammenhang von Produkt, Text, Gegenleistungen und Video. Auch nach sechs Jahren Crowdfunding erfordert es immer wieder konzeptionelle Arbeit, darauf scharf zu stellen, was man kommunizieren will, und was einen Mehrwert für unsere Unterstützer bietet. Und dann braucht es vor allem einen guten Plan, wann welche Inhalte veröffentlicht werden, um auf das Projekt aufmerksam zu machen.
Steffen: Wenn Ihr gemeinsam mit einer Band, wie zum Beispiel bei Me and Oceans, für eine Albumproduktion ein Crowdfunding durchführt, wie gestaltet Ihr dann die Arbeitsteilung während der einzelnen Phasen einer Crowdfunding-Kampagne?
Andreas: Die Idee einen Teil des Releases zu crowdfunden tragen meist wir an die Bands heran. Wenn die Musiker Lust auf diese Form der Finanzierung haben – und das kommt nicht für alle in Frage – helfen wir zu kalkulieren und den Projektumfang zu ermitteln. Dann entwickeln wir gemeinsam einen Promoplan, denn das beste Vehikel, um auf sein Crowdfunding aufmerksam zu machen sind Livekonzerte und direkter Kontakt. Die tägliche Betreuung des Projekts kann sowohl von der Band, wie im Fall von Wooden Peak, als auch uns übernommen werden, das hatten wir beides schon. In den letzten Jahren habe ich es dann irgendwie immer geschafft, mich beim Verpacken und Versenden der Gegenleistungen rauszuhalten :) Wobei das ein sehr schöner Moment ist, wenn die Gegenleistungen mit kleinen Briefen an die UnterstützerInnen rausgehen.
Steffen: Der Film zu dessen Premierenfeier ihr mit dem Crowdfunding einladet, dokumentiert das “Leben mit Musik” aus Sicht der Musikschaffenden. Dieses Leben verläuft nicht selten entlang verschiedener Konfliktlinien zwischen Leidenschaft und Notwendigkeiten. Welche Rollen nimmt dabei Crowdfunding ein? Hilft Crowdfunding auf der Seite der Leidenschaften oder entwickelt sich daraus nur die nächste Notwendigkeit? “Mach halt ein Crowdfunding!”, ist ja schneller gesagt also getan.
Andreas: Das ist eine wichtige Beobachtung! Zunächst einmal ist Crowdfunding für unabhängige Musiker eine Möglichkeit, direkt mit ihren Hörern und potentiellen Unterstützern in Kontakt zu kommen. So wie es in der Musik häufig verwendet wird, als Vorabverkauf eines noch zu produzierenden Produkts, ist es ja auch ein alter Hut: Der Subskriptionskauf war schon vor 200 Jahren eine verbreitete Form der Ermöglichung von Kultur. Gleichzeitig gehen mit einem Crowdfundingprojekt auch eine Reihe Notwendigkeiten einher, wie zum Beispiel die Überlegung, wie man das damit gewonnene Geld versteuern muss. Da gab es für einige Projektinitiatoren schon böse Überraschungen, als ihnen klar wurde, dass erst einmal 19 % der Summe als Umsatzsteuer einzuplanen sind. Und ganz generell bedeutet Crowdfunding halt kommunzieren: Nach außen mit den potentiellen Unterstützern, mit den Unterstützern im Projekt aber auch nach innen als Band oder Label, was Ziele sind und wie sie umgesetzt werden können. In der Hinsicht sehe ich Crowdfunding auch als Strukturierungshilfe und proof of concept für Ideen.
Steffen: Du hattest eben erwähnt, dass Crowdfunding nicht für alle in Frage kommt. Wann ist Crowdfunding für eine Band nicht geeignet?
Andreas: Ich glaube ganz prinzipiell kommt es für alle/s und jeden in Frage. Es gibt allerdings Musiker, die einen inneren Widerstand gegen die Idee haben, öffentlich um Finanzierungshilfe zu werben. Es geht ja schon immer darum, eine Lücke zu schließen, oder etwas zu ermöglichen. Manchen ist das aus “geschmacklichen” Gründen nichts, die haben in ihrem Selbstbild den Anspruch, sich das selbst auf anderen Wegen zu ermöglichen.
Steffen: Andreas, vielen Dank für den Einblick und Deine Zeit! Knapp ein Drittel habt ihr bereits rein, ich empfehle es weiter!
Das Interview führte Steffen Peschel, Kulturmanager und Crowdfunding-Berater aus Dresden und Leipzig.