„Für mich heißt Freiraum, selbst gestalten zu können ohne künstliche finanzielle oder bürokratische Hindernisse.“ (Jan Kossick)
Ein Gespräch mit Jan über das Neustadt Art Festival in Dresden
Beim Neustadt Art Festival 2013 war ich selbst mit beteiligt. Im Frühjahr 2013 wurde es beim STADTCAMP Dresden vorgestellt und um Beteiligung geworben, so kam ich dazu. Auch wenn ich in diesem Jahr nicht viel in die Organisation mit einbringen kann, fühle ich mich immer noch beteiligt. Für die Planung und Umsetzung wurde eine dezentrale Orga definiert. Wer sich mit einbringen möchte, kann jederzeit an den öffentlichen Orga-Treffen teilnehmen und Aufgaben übernehmen. Stellvertretend für das gesamte Team sprach ich mit Jan Kossick über das Festival und die aktuelle Crowdfunding-Kampagne.
Steffen: Hallo Jan, wir kennen uns ja bereits eine ganze Weile und ich kenne auch das eine oder andere weitere Projekt von Dir. Aber sage mal selbst: Wer bist Du, was machst Du und wie bist Du zum Neustadt Art Festival gekommen?
Jan: Mein Brot verdiene ich als Programmierer. Aber in erster Linie versuche ich, allen Menschen den Genuss und die Schaffung von Kunst und Kultur zu ermöglichen. Mit der Initiative “Kultur sucht Raum” habe ich auch einen kleinen Netzwerkknoten geschaffen, der Kulturschaffende, Politik und Presse in Dresden verbindet. Der jüngste Erfolg war die Aufhebung der restriktiven Straßenkunstverordnung in Dresden. Als Netzwerkknoten vermittle ich aber mehr und zeige den Menschen lieber, was sie selbst bewegen können; deshalb brauchte “Kultur sucht Raum” bisher auch keinen offiziellen Anstrich im Rahmen eines Vereins oder ähnliches.
Zum Neustadt Art Festival bin ich genauso wie Du gekommen: 2013 während des Stadtcamps.
Steffen: Wenn Du das Neustadt Art Festival jemanden beschreiben musst, der nicht nur das Festival und Dresden nicht kennt, sondern auch aus komplett anderen Lebensumständen kommt, wie würdest du das erklären? Was ist das Neustadt Art Festival und warum ist das für Dresden wichtig?
Jan: Ich würde ihm sagen, dass er ein Wochenende lang kostenfrei die Möglichkeit hat, sich Kunst und Kultur anzuschauen, mit den Kunstschaffenden in Kontakt zu kommen und Ecken in der Neustadt zu entdecken, die vermutlich auch nicht alle Neustädter kennen.
Für Dresden ist das Festival wichtig, da Dresden von politischer Seite her eher Leuchtturmförderung betreibt und den Fokus auf Semperoper, Staatsschauspiel oder z.B. Hellerau hat. Insofern ist es in Dresden üblich, dass sich die kleine alternative Szene selbst organisiert. Da fehlt aber seit Jahren ein starkes Netzwerk, so dass es immer wieder wichtig ist, Kunstschaffende und bestehende Vereine miteinander zu vernetzen. Inzwischen tut sich da auch viel, z.B. mit dem Netzwerk Kultur, und auch in der Stadt beginnt ein Umdenken. Wir sind sehr froh darüber, dass Stadt und Land uns fast die komplette Fördersumme genehmigt haben.
Steffen: Freiräume spielen eine Rolle beim NAF. „Freiräume sichtbar machen – Freiräume erhalten“, steht in der Projektbeschreibung. Das Wort selbst lässt viel ja Interpretationsspielraum. Was kennzeichnet für Dich persönlich einen Freiraum, der hier gemeint ist?
Jan: Diesen Interpretationsspielraum überlasse ich gern der Leserin und dem Leser selbst. Für mich heißt Freiraum, selbst gestalten zu können ohne künstliche finanzielle oder bürokratische Hindernisse.
Steffen: Es gibt in diesem Jahr viel mehr Orte beim Neutstadt Art Festival. Wie kam es dazu?
Jan: Ursprünglich lag das Neustadt Art Festival an der Prießnitz vom Oosteinde bis zur Dresdner Heide. Da durch die vergangenen Fluten jedoch der Weg an der Prießnitz entlang gesperrt ist, haben wir den Festivalbereich ausgeweitet und Clubs, Vereine und Läden in der gesamten Äußeren Neustadt angeschrieben. Dass die Rückmeldung so groß sein würde, haben wir aber auch nicht erwartet.
Steffen: Gibt es neben dem Crowdfunding-Ziel noch mehr Möglichkeiten, wo man sich noch aktiv einbringen kann? Sucht ihr noch Künstler für die Spielorte?
Jan: “Suchen” ist da nicht ganz der richtige Begriff. Wir machen das Angebot, Kunstschaffende und Orte miteinander zu vernetzen. Aber ja, wir haben Orte, die noch nicht bespielt werden, also auch noch “Platz” für weitere Ausstellungen, Installationen und Performances.
Steffen: Wie kann man Kontakt aufnehmen?
Jan: Auf unserer Webseite neustadt-art-festival.de findet sich unter “Ausschreibung” ein kleines Formular zum Ausfüllen oder ihr schickt eine Mail an programm@neustadt-art-festival.de.
Steffen: Kommen wir noch mal konkret zum Crowdfunding. In 2013 haben insgesamt 71 Unterstützer und Unterstützerinnen die Zielsumme von 2.000 Euro erreicht. In diesem Jahr geht es um 1.000 Euro und obwohl es sichtbar mehr Programm und mehr Orte gibt, startet die Kampagne noch nicht richtig durch.
Was denkst du, woran es liegt? Ist die Kampagne zu wenig sichtbar? Kommt noch nicht richtig rüber, dass zu den Gegenleistung eben auch jeder einzelne Ort gehört, der auf besondere Weise erlebbar ist und natürlich auch das komplette Programm, das ja bewusst ohne Eintritt angeboten wird?
Jan: Da bin ich überfragt. Das ist erst mein zweites Crowdfunding, das ich selbst gestalte und die Mechanismen habe ich noch nicht ganz durchschaut. Ich denke, dass es uns noch an Sichtbarkeit mangelt, da das NAF14 sehr klein war und somit auch die Presse nur zögerlich auf uns reagiert. Wenn wir dieses Jahr ein gutes Festival hinlegen, werden wir es nächstes Jahr leichter haben. Den Betrag von 1.000 EUR hätten wir übrigens gern höher angesetzt, haben aber in unseren Förderanträgen im Frühjahr verpasst, die Summe zu ändern. Auch das wird uns nächstes ja sicher nicht passieren.
Steffen: Wen müssen wir noch erreichen, damit er oder sie die Kampagne noch teilt?
Jan: Das ist eine gute Frage, diese Art der Organisation ist auch für uns neu. Im Prinzip sollten alle Orte und Kunstschaffende ihre Netzwerke bedienen. Vielleicht brauchen wir dahingehend noch ein größeres Bewusstsein bei den Beteiligten, ein Bewusstsein, dass sie selbst das Festival sind und nicht nur “mitmachen”.
Steffen: Lieber Jan, vielen Dank für die Antworten! Ich hoffe ich konnte über dieses Interview mit dazu beitragen, dass wir das Ziel erreichen!
Das Interview führte Steffen Peschel, Kulturmanager und Crowdfunding-Berater aus Dresden und Leipzig.